Beruf Pferdewirt Teil 2 – das Leben eines Bereiters

Da der erste Beitrag über den Beruf Pferdewirt großes Interesse geweckt hat, haben wir uns gedacht euch noch mehr hinter die Kulissen “schauen” zu lassen, speziell hinter die eines Bereiters (klassische Reitausbildung). Ich möchte euch einen Einblick in das Leben eines Bereiters geben und was dieser Beruf mit sich bringt … die schönen Seiten, aber auch die enormen Belastungen auf physischer und psychischer Seite mit denen wir manchmal zu kämpfen haben. Viel Spaß dabei! 😉


Meine erste Ausbildung im Landgestüt war, im Gegensatz zu dem was danach kam, ein Klacks. Die Belastungen in einem Privatbetrieb oder später als Selbständige sind weitaus höher. Im Landgestüt hatten wir geregelte Arbeitszeiten, bekamen Überstundenfrei, hatten jedes zweite oder dritte Wochenende komplett frei und kamen körperlich auch nicht so an unsere Grenzen. Gelernt habe ich in dieser Zeit trotzdem viel und hatte sehr viel Spaß.

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In meiner zweiten Ausbildung als Bereiterin in einem privaten Springstall sah der Alltag dann schon etwas anders aus. Morgens ging es eine Stunde früher los (6.30 Uhr) mit Füttern und misten. Nicht selten hatten wir dann 20 oder mehr Boxen zu misten und einzustreuen. Nebenbei wurden immer wieder Pferde in die Führmaschine gebracht (im Winter dann auch ausgedeckt, umgedeckt und wieder eingedeckt), anschließend wurde alles gefegt. Wenn Kunden kamen zum Pferde Ausprobieren mussten wir diese natürlich auch noch schnell auf Hochglanz bringen und Fertigmachen zum Reiten … alles “nebenbei”. Wenn wir dann mit dem Stalldienst fertig waren, mal früher mal später, wurde geritten (zwischen 5 und 10 Pferden am Tag) je nachdem wie viele Leute wir waren und was sonst noch so an Arbeit anfiel. Einmal die Woche wurde der gesamte Parcours umgebaut. Im Sommer waren wir auch in die Heu- und Strohernte integriert, dann ging es schon mal bis 10 Uhr Abends. Meist hatten wir 10 Arbeitsstunden pro Tag sechs Tage die Woche, wenn kein Turnier war, sonst auch mal 7 Tage.

Hier kam ich dann auch öfter mal an meine körperlichen Grenzen … wenn man denkt es geht nicht mehr, der Körper kann einfach nicht mehr. Aber es geht doch immer weiter, vorausgesetzt man will es wirklich und hat ein Ziel vor Augen! In solchen Phasen ist man auch psychisch labiler und nimmt manche Sachen schneller persönlich, wo man vorher drüber gestanden hat. Teilweise kommt dann auch noch Druck dazu (meistens von außen, manchmal macht man ihn sich aber auch selbst) … oft heißt es dann:”Das muss jetzt aber funktionieren!!!” Und da wir ja immer einen lebendigen Partner an unserer Seite haben, unsere Pferde, geht das dann erst recht so richtig in die Hose. Im schlimmsten Fall passieren dann Unfälle die uns wieder auf den Boden der Tatsachen zurück holen. Zweimal 6 Wochen war ich in diesen zwei Jahren Ausbildung außer Gefecht und hatte meinem Körper schon ziemlich viel abverlangt.
Nach der Ausbildung wollte ich mir vornehmen, meinen Körper nicht mehr ganz so stark zu strapazieren und mich zumindest während einer stärkeren Erkältung auszuruhen und auszukurieren. Das habe ich genau zweimal getan, denn wirklich gut kam das nicht an. In dieser Zeit habe ich in einem Springstall gearbeitet. Nicht sehr lang, denn in dieser Zeit war ich in einem viertel Jahr dreimal richtig krank. So etwas kannte ich von mir gar nicht. Vielleicht schon die Auswirkungen der Ausbildung wo ich nicht einmal wegen einer Erkältung krank geschrieben war und immer weiter gearbeitet habe, egal wie schlecht es mir ging!? Sollte das jetzt die Retourkutsche gewesen sein? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall habe ich mich bei meiner dritten nicht gerade leichten Erkältung weiter in den Stall geschleppt. Trotzdem hatten wir dann kurze Zeit später das Arbeitsverhältnis beendet.

Nach einer kurzen Pferdepause kam ich dann erneut zu einem Springreiter. Für den Job fuhr ich dann jeden Tag eine Stunde hin und wieder eine Stunde zurück. Da kümmerte ich mich fast ausschließlich um das Training der Springpferde zu Hause, während mein Chef mit diesen Pferden am Wochenende zu Turnieren fuhr. Hat es da gut geklappt, wurde meine Arbeit gelobt. Lief es mal nicht so gut, dann hieß es, ich müsste mein Training überdenken, auch wenn ich die Pferde genauso gearbeitet habe wie die Woche zuvor.  😉
Allerdings blieb für jedes Pferd nicht so viel Zeit. Eins, zwei hatten immer Priorität denen ich dann mehr Zeit widmen konnte, manch andere mussten schon mal mit einer halben Stunde auskommen. Da war natürlich pferdegerechtes “Ausbilden” nicht mehr möglich.

Das ist in unserem Beruf leider öfter so, dass wir nicht genügend Zeit für die Ausbildung der Pferde haben. Zum einen weil es in manchen Ställen zu viele Pferde für zu wenig Reiter sind und zum anderen weil es Besitzer gibt, die wollen dass ihre Pferde so schnell wie möglich Leistung bringen und auf Turnieren vorgestellt werden. Wenige Pferd halten das körperlich und psychisch aus. Die meisten haben nach relativ kurzer Zeit Probleme mit der Muskulatur oder dem Bewegungsapparat. Andere halten den psychischen Druck nicht aus und werden zu den Fällen die “unreitbar” werden. Wird von jungen Pferden zu schnell zu viel gefordert rächt sich das früher oder später. Einige Besitzer wollen davon aber nichts wissen, Hauptsache die Pferde bringen schnell viel Geld. Wir als Ausbilder stehen dann im Zwiespalt. Wir wissen um die Probleme und Risiken, können es uns aber oft nicht leisten den Kunden zu verlieren.

Aber nicht nur die Pferde leiden unter zu wenig Zeit. Uns Reitern/Ausbildern macht diese Art der Ausbildung auch nicht so viel Spaß, meist kommt Stress und Zeitdruck dazu und die Probleme sind vorprogrammiert. “Die Pferde müssen funktionieren!” … so etwas hört man leider öfter. Das bedeutet aber wiederum Zwang. Diesen Druck geben wir an unsere Pferde weiter und entsprechend reagieren sie. Wir selbst sind ebenfalls unzufrieden weil wir so eigentlich nicht Ausbilden wollen. Unter diesen Voraussetzungen sollen wir dann ein Pferd zu Höchstleistungen bringen. Jeder normal denkende Mensch weiß, dass das nicht funktionieren kann. Das Pferd ist genervt und fühlt sich missverstanden, ist zum Teil körperlich auch gar nicht dazu in der Lage die ihm gestellten Aufgaben zu bewältigen und wir Reiter stehen unter Druck weil es funktionieren muss und so kommt es dann nicht selten zu leichten bis schweren Unfällen.

Aber nicht nur Leistungsdruck führt in unserem Beruf zu erhöhter Unfallgefahr: Ermüdung, Konzentrationsmangel, Angst, Stress, Selbstüberschätzung, Erkrankungen, anatomische & motorische Mängel, ungenügende Vorbereitung/mangelhaftes Aufwärmen, falscher Trainingsaufbau und äußere Störfaktoren … all diese Faktoren erhöhen das Unfallrisiko. Doch wer in diesem Beruf arbeitet weiß auch wie schwierig es ist, diese methodischen Fehler wie sie genannt werden, immer zu vermeiden. Nicht selten versucht man aus verschiedensten Gründen ein bestimmtes Gefühl zu unterdrücken, Bedenken beiseite zu schieben, Schmerzen zu ignorieren und und und. Und warum? Weil die Reiterei teilweise ein ganz schön hartes Geschäft ist. Berufsreiter sind in der Regel nicht gerade mit einem prall gefüllten Portemonnaie gesegnet. Also kann man sich meistens nicht leisten ein bestimmtes oder weiteres Pferd abzulehnen obwohl es für einen selbst vielleicht besser wäre.

Trotzdem sollten wir versuchen sensibel zu bleiben und auf unser Gefühl zu hören (und es nicht zu unterdrücken oder es beiseite zu schieben) und trotzdem auf das eine Pferd steigen o.ä. Ich habe mit den Jahren gelernt auch mal Nein zu sagen weil ich ein ungutes Bauchgefühl hatte. Ich glaube es hat mich schon einige Male vor einem Unfall bewahrt. Davor hatte ich nämlich schon eine Reihe von Unfällen gehabt, aufgrund von Stress, Leistungsdruck, Überarbeitung, weil ich mein Bauchgefühl ignoriert habe und zum Teil auch die Signale des Pferdes. Allerdings habe ich aus allem gelernt und bin danach anders an die Sachen heran gegangen. Was keiner von uns ignorieren kann:  -Unser Körper ist unser Kapital- Ohne einen gesunden & leistungsfähigen Körper können wir unseren Beruf nicht ausführen. Gerade deshalb sollten wir sorgsam mit ihm umgehen, ihm auch mal eine Erholungsphase geben, Krankheiten in Ruhe auskurieren, in bestimmten Situationen sich richtig einschätzen und nicht überschätzen und Ausgleichssport machen um ihn fit zu halten und einseitigen Belastungen vorzubeugen. Hier kommt dann aber immer die Frage auf (auch bei mir): “Wann soll ich denn das noch machen?” Hier ist ein gutes Zeitmanagement gefragt. Aber spätestens wenn die Probleme auftreten und wir gezwungen sind etwas für uns zu tun, nehmen wir uns die Zeit. Auch hier heißt es wieder … Vorbeugen ist besser als Behandeln, denn dann sind wir gegebenenfalls schon in unserem Beruf eingeschränkt. Soweit muss es nicht kommen 😉

Nach meinem 2 jährigen Australienaufenthalt, wo ich u.a. ebenfalls als Bereiterin tätig war (darunter 2 Monate in einem Rennstall 🙂 – war eine Erfahrung wert! – ) und auch mal eine andere Sichtweise auf die Dinge erhalten habe, war ich kurze Zeit nochmal bei dem Springreiter tätig. Doch schnell merkte ich, dass diese “Fließbandarbeit” – von einem Pferd aufs andere, nicht genügend Zeit für das jeweilige Pferd zu haben, geschweige denn mal eine Bindung zum Pferd aufzubauen – einfach doch nichts für mich ist. Neben einem weiteren Krankenhausaufenthalt verlor ich auch ein wenig die Lust am Reiten. Mir war klar: So möchte ich es nicht mehr!!
So kam es, dass ich dann Teilzeit hier bei Horseland anfing und mich nebenbei Selbstständig machte, was ich mittlerweile Vollzeit mache, als selbständige Bereiterin.

Ich genieße diese Freiheit alles so machen zu können wie ich es mir vorstelle, ohne Jemanden hinter mir zu haben der meint, ich muss das Pferd aber so reiten etc. Ich kann jedem Pferd die Zeit geben die es braucht (zum Glück habe ich keine Pferdebesitzer als Kunden die (zu) schnelle Resultate haben wollen). Wobei, wenn man den Pferden Zeit gibt, kommen die Erfolge doch wieder ziemlich schnell … aber von allein 😉 Die Pferde danken es uns indem sie motiviert und zufrieden mitarbeiten. Und wenn einer doch mal länger braucht, dann braucht er halt länger. Aber dafür hat man später einen leistungsfähigen Partner und keinen unreitbaren.

Ich habe mein Faible ein bisschen in der Ausbildung von jungen Pferden entdeckt. Gerade hier ist es sooo wichtig sich Zeit zu lassen und lieber in kleinen Schritten voran zu gehen. Ich bin immer gut gefahren damit! Pferde & Besitzer waren und sind immer zufrieden! Und dann bin ich es auch 🙂 Das funktioniert aber nur, wenn man Niemanden hinter sich hat der Stress macht. Deshalb bin ich Selbständig. Auf diese Art und Weise bereitet mir dieser Beruf so viel Freude, gibt mir Anerkennung und Zufriedenheit und das wichtigste: ich bin glücklich und (soweit) gesund.
Natürlich gibt es auch Tage wo ich nach einem langen Arbeitstag (auch schon mal bis zu 14 Stunden) total kaputt und erschöpft nach Hause komme oder ich etwas frustriert bin weil irgendetwas nicht so geklappt habe wie ich mir das vorgestellt hatte, oder ich auch mal keine Lust habe wieder das Wochenende zu arbeiten. Aber wer hat das nicht!?  Ich muss auch sagen, ich habe tolle Kunden, die mir den manchmal anstrengenden Alltag zusätzlich erleichtern. Dafür bin ich sehr dankbar! Das hat nicht Jeder.

Seid ihr auch Berufsreiter und habt ähnliche oder auch andere Erfahrungen gemacht? Dann lass uns doch an deinen Erfahrungen teil haben. Aber auch wenn ihr kein Berufsreiter seid, könnt ihr gern eure Meinungen und/oder Beobachtungen mit uns teilen. Wir sind gespannt, vor allem ich 😉

Eure Silvana

Hier könnt ihr den 1. Teil Der Beruf Pferdewirt – wirklich ein Traumberuf? lesen.

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