Was macht guten Reitunterricht aus?

Reitunterricht ist nicht gleich Reitunterricht. Früher wurden viele Reitlehrer und Ausbilder, die in Reitvereinen eingestellt wurden, aus den Kavallerieschulen der 50er Jahre rekrutiert. Auch wenn in manchen Fällen die Militärdisziplin ihre Vorteile hat, so ist deren Sprache nicht mehr den modernen Lernverfahren angemessen.

Glücklicherweise konnten sich manche weiter entwickeln und die neue Generation hat verstanden, wie wichtig das mentale und körperliche Gleichgewicht für Pferd und Reiter ist. Sie wissen auch, dass das Vertrauen der Grundstein für eine gute Ausbildung ist: Selbstvertrauen und Vertrauen in seinen Ausbilder.
Leider sieht man noch viel zu oft das Bild des schreienden und sich aufregenden Reitlehrers. Manche gehen soweit ihre Schüler zu beschimpfen.

All diese vernichtenden Sätze, wie: “Du bist wirklich unfähig… Du bist zu sehr dieses oder jenes…” versetzen den Schüler in eine Situation der Unterlegenheit und der Angst, und führen dazu, dass er jegliches Selbstvertrauen verliert.
Als Reitlehrer muss man vor allem stets den Zustand berücksichtigen, in dem man sich selbst befindet. Denn das eigene Verhalten wird unweigerlich auf den Schüler abfärben.

Wenn man als Ausbilder mit einem Schüler arbeitet, sollte man unabhängig von seinem Niveau davon überzeugt sein, dass er ein Meister werden kann. Nur so kann ein Schüler wirklich Fortschritte erzielen. Der Ausbilder sollte Spaß am Unterrichten haben und sich durch sein Einfühlungsvermögen in das Pferd und den Reiter hineinversetzen können.

Die Anforderungen an einen Reitlehrer sind recht hoch. Er sollte nicht nur umfassendes Wissen über die Reitlehre haben, sondern auch in der Sport- und Bewegungslehre versiert sein, sowie pädagogische und soziale Kompetenzen aufweisen. Denn meistens liegt die Ursache der Fehler nicht da wo man sie sieht, sondern ganz woanders.

Die Korrektur müsste also an einer anderen Stelle ansetzen. Dazu muss der Ausbilder nicht nur wissen wie der Pferdekörper, sondern auch wie der menschliche Körper funktioniert und wie alles zusammen hängt.
Wie oft hört man noch die Sätze: “Absatz tief!” “Ellbogen an den Körper!” “Hände ruhig!” Dem Reitlehrer muss klar sein, dass die Hände nur ruhiger getragen werden können, wenn sich die Losgelassenheit in der Mittelpositur verbessert und der Schulter-/Nackenbereich lockerer wird. Letztendlich soll der Reiter sich auf dem Pferd wohl fühlen und sich nicht in eine Form pressen lassen, was nur zu Verspannungen führt.

Das Besondere an der Reiterei ist, dass hier zwei Lebewesen aufeinander treffen die miteinander harmonieren sollen. Deshalb ist es auch von so großer Bedeutung, dass junge Pferde von erfahrenen Reitern ausgebildet werden und unerfahrene Reiter auf gut ausgebildeten Pferden lernen. Hierdurch werden größere Schwierigkeiten im Lernprozess verhindert und es kommt nicht zu Frust.

Der Reitlehrer muss in der Lage sein, sowohl auf das Pferd, als auch auf den Reiter einzugehen. Dem Reiter sollte zuerst mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, da viele Fehler von ihm ausgehen. Arbeitet man an der Losgelassenheit, dem Gleichgewicht und Bewegungsgefühl des Reiters, lösen sich viele “Probleme” beim Pferd von allein.

Oft ist es auch sehr hilfreich wenn der Ausbilder selbst das Pferd reitet. Zum einen kann er sich ein Bild davon verschaffen wie sich das Pferd anfühlt, wie es reagiert und wo eventuelle Probleme liegen. Zum anderen sieht der Schüler wie sein Pferd gehen kann und erkennt dadurch das gegebenenfalls der Fehler bei ihm liegt.

Das ist eine wichtige Erkenntnis. Denn allzu oft werden die Fehler nur beim Pferd gesucht. Der Trainer muss nun dem Schüler verständlich machen was die Ursache des “Problems” ist und mit ihm zusammen Lösungsvorschläge erarbeiten. Dabei kann es hilfreich sein, wenn der Reitlehrer die Lösung nicht immer von vornherein vorgibt, sondern nur eine grobe Richtung oder kleine Hinweise  gibt, damit der Schüler vielleicht allein den richtigen Weg findet.

Den Schüler zu fragen: “Was hat er vorher gefühlt?”, “Wie fühlt es sich jetzt an?”, verbessert das Wahrnehmungsgefühl. Durch diese Vorgehensweise wird die Kommunikation gelassener, da zwischen dem Schüler, dem Reitlehrer und dem Pferd eine tatsächliche Interaktion erfolgt. Dadurch lassen sich schnelle Fortschritte erzielen.

Wichtig ist auch, dass das Reiter- Pferd Paar weder über- noch unterfordert wird. Wenn es zum einen oder anderen Moment zu einem Verständigungsproblem kommt, sollte besser eine Pause eingelegt werden.
Der Ausbilder fragt den Schüler was er nicht verstanden hat. Manchmal ist es besser, genau wie beim Pferd zu einfachen Grundlagen zurückzukehren, um wieder in einen Kontext des Erfolges zu gelangen.

Je klarer und einfacher die Aufforderungen sind, desto besser sind die Antworten. In diesem Sinne sollte jede Unterrichtsstunde auch mit einer Übung oder einem Thema beginnen, bei dem sich 100 % Erfolg erzielen lässt um eine Vertrauensbasis herzustellen. Der weitere Verlauf der Stunde wird sich ebenfalls in diesen Erfolgsprozess einreihen, wobei alle – Reiter, Pferd und Ausbilder – in einem positiven Klima und mit positiver Energie arbeiten.

Jede Übungsstunde muss stets unter guten Bedingungen verlaufen und vor allem unter guten Bedingungen abgeschlossen werden, denn das Ziel Nr. 1 besteht darin, dass alle zufrieden sind: Der Schüler, das Pferd und der Reitlehrer.
Nach jeder Unterrichtsstunde sollte sich der Reitschüler fragen: “Was habe ich heute gelernt?”, “Waren mein Pferd und ich zufrieden?”, “Habe ich alles verstanden?”, “Fühle ich mich körperlich und seelisch gut?”, “Sind wir wieder ein Stückchen voran gekommen?”, “Freue ich mich auf die nächste Reitstunde?”.
Wenn Sie die letzten 5 Fragen mit “Ja” beantworten können, haben Sie höchstwahrscheinlich einen guten Reitlehrer.

Kurzfassung: Was wünscht man sich von einem guten Reitlehrer und dessen Unterricht?

  • das er als Vorbild agiert
  • ein umfangreicher und guter reiterlicher Werdegang
  • ein gepflegtes Auftreten
  • das er freundlich, aufgeschlossen und geduldig ist
  • eine positive Grundeinstellung
  • klare verständliche Sprache und angemessene Stimmführung
  • fachliche, pädagogische und soziale Kompetenz
  • Konzentration auf den Reitschüler, keine Ablenkung durch äußere Einflüsse oder Personen
  • Einfühlungsvermögen in die Situation aber auch in die Gefühlslage des Schülers
  • die richtige Auswahl der Informationen
  • im richtigen Moment das Aufzeigen von Ursache und Wirkung
  • angemessene Auswahl von Übungen und Übungsreihen
  • angemessene, erreichbare Ziele
  • einen der Situation angepassten Unterrichtsstil (partnerschaftlich, aber auch einmal straff oder in Ausnahmefällen, z.B. bei Gefahr, autoritär)
  • eine abwechslungsreiche Vermittlung (Anweisen, Erklären, Vormachen)
  • die Nutzung von Körpersprache und Bildern bzw. Metaphern, um Bewegungen zu vermitteln
  • Rückinformation an den Reitschüler (Lob, Korrektur, Motivation)
  • systematische, kontinuierliche Entwicklung des “Bildes”, das der Reitschüler von sich selbst hat
  • im Verlauf zunehmende Einbeziehung des Reitschülers in die Unterrichtsgestaltung
  • Anleitung zum immer selbstständigeren Arbeiten
  • das er sich innerhalb der Bahn befindet
  • das er auf die richtige Ausrüstung achtet
  • bei allen Fragen und Problemen unterstützend zur Seite steht
  • den Schüler gegebenenfalls bei Turnieren begleitet

Wie oft hört man Sätze wie: “Absatz tief!” Schultern nach hinten!” Ellbogen an den Körper!”

Wie wichtig ist Euch guter Reitunterricht? Was haltet Ihr von Reitlehrern. Schreibt uns Eure Meinung und redet mit…

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4 comments

  1. Hallo,

    im Prinzip finde ich Deinen Anforderungskatalog recht gut, würde als erfahrene Reiterin aber noch hinzufügen:
    * dem Schüler erklären, warum das Pferd so reagiert, wie es das im Moment tut – warum es z. B. nicht so auf die Hilfen reagiert, wie erwartet.
    * Verständnis für die Bedürfnissse des Pferdes wecken
    * den gewaltfreien, freundlichen Umgang mit dem Pferd einüben

    mit reiterlichen Grüßen
    Ann-Bettina

    1. Marika Moga sagt:

      Liebe Ann-Bettina,

      viele Dank für Deine Rückmeldung. Die Punkte die Du erwähnt hast sind selbstverständlich sehr wichtig in Bezug auf “guten Reitunterricht” !

  2. Hallo,
    im Prinzip finde ich Deinen Anforderungskatalog recht gut, würde als erfahrene Reiterin aber noch hinzufügen:
    * dem Schüler erklären, warum das Pferd so reagiert, wie es das im Moment tut – warum es z. B. nicht so auf die Hilfen reagiert, wie erwartet.
    * Verständnis für die Bedürfnissse des Pferdes wecken
    * den gewaltfreien, freundlichen Umgang mit dem Pferd einüben
    mit reiterlichen Grüßen
    Ann-Bettina

    1. Marika Moga sagt:

      Liebe Ann-Bettina,
      viele Dank für Deine Rückmeldung. Die Punkte die Du erwähnt hast sind selbstverständlich sehr wichtig in Bezug auf “guten Reitunterricht” !

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