Übergänge richtig reiten – TEIL 2

Im ersten Teil “Übergänge Reiten“, haben wir euch die einzelnen Übergänge erklärt und warum sie so einen großen Stellenwert in der Ausbildung von Pferd und Reiter einnehmen. Hier im zweiten Teil geht es darum, Übergänge korrekt zu reiten und sie sinnvoll im Trainingsalltag einzubauen.

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Die halbe Parade

Beim Reiten von Übergängen geben wir ständig halbe Paraden … vor, während und nach dem Übergang. Bevor wir den Übergang einleiten, bereiten wir unser Pferd mit halben Paraden vor und machen es aufmerksam auf das was da kommt. Evtl. korrigieren wir noch einmal die Anlehnung sowie die Feinabstimmung unserer Hilfen und die Reaktion des Pferdes auf unsere Hilfen.
Das Einleiten des Übergangs selbst erfolgt auch durch halbe Paraden, bis das Pferd die gewünschte Reaktion zeigt. Sobald das passiert, geben wir eigentlich schon wieder neue halbe Paraden um gut in die neue Gangart oder den Tempowechsel hinein zu reiten und gegebenfalls zu verbessern … sprich Takt & Tempo, Anlehnung, Selbsthaltung und Durchlässigkeit.

Unter einer halben Parade verstehen wir das kurzzeitige Einschließen des Pferdes mit Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen. Sie dienen der Feinabstimmung und verbesserten Kommunikation zwischen uns und unserem Pferd. Ihr Einsatzbereich ist sehr vielfältig: Wir geben halbe Paraden als Vorbereitung einer Lektion oder eines Übergangs (siehe oben), zur Verbesserung von Selbsthaltung, Aufmerksamkeit oder Versammlung. Eine gut gerittene halbe Parade erfordert viel Gefühl für die Bewegungsabläufe, um Zeitpunkt und Dosierung optimal zu wählen. Dann werden Paraden für den Betrachter unsichtbar – Pferd und Reiter verschmelzen zu einer harmonischen Einheit. Deshalb … Übergänge, Übergänge, Übergänge … 😉

Im Detail sieht die halbe Parade so aus:
Für einen kurzen Moment treiben wir unser Pferd durch Schenkel- und Gewichtshilfen bei einer vorsichtig annehmenden Zügelhilfe (bestenfalls nur durch kurzes Anspannen unserer Finger) vermehrt an die Reiterhand heran. Die gewünschte Reaktion ist, dass unser Pferd auf die treibende Hilfe hin aktiver mit der Hinterhand unter den Schwerpunkt tritt. Unmittelbar danach geben wir eine nachgebende Zügelhilfe, ohne die Zügelverbindung aufzugeben. Brauchten wir vorher nur unsere Finger anspannen, so entspannen wir sie jetzt einfach wieder um nachzugeben.

Während wir mit halben Paraden arbeiten, sollen Bewegungsfluss, Losgelassenheit und Rückentätigkeit des Pferdes unbedingt erhalten bleiben. Wichtig ist immer, dass wir sofort wieder nachgeben und nicht am Zügel hängen bleiben. Die halbe Parade ist kein einmaliger Vorgang, sondern wird so oft wiederholt, bis wir die gewünschte Reaktion von unserem Pferd bekommen haben. Mit halben Paraden können wir vor, während und nach dem Übergang Einfluss auf das Tempo, den Gang, die Haltung und das Gleichgewicht unseres Pferdes nehmen.

Mit der Zeit und der Erfahrung müssen wir das Gefühl dafür bekommen unsere treibenden Hilfen in der halben Paraden, also den Übergängen immer vorherrschen zu lassen. Damit die halbe Parade gut gelingt, ist es außerdem wichtig, dass wir den richtigen Zeitpunkt dafür finden. Dieser orientiert sich an der Bewegung unseres Pferdes. Auch dafür bekommt man mit der Zeit ein Gefühl.

Übergänge in die nächst höhere Gangart

Der auslösende Schub beim Übergang in eine höhere Gangart kommt aus der Körpermitte. Dabei wird die Energie durch unsere Körpermitte von hinten nach vorwärts/aufwärts geschoben. Wir öffnen unseren Körper nach vorn und nach oben und fließen dabei vom ersten Moment der neuen Gangart mit unserem Pferd in die Vorwärtsbewegung ein. Dabei fühlen wir den Rhythmus unseres Pferdes. Zusätzlich kommt ein Impuls von dem am Gurt liegenden Schenkeln, die den leichtmöglichsten Druck ausüben. Dabei geben wir leicht mit der Hand nach.
Wenn wir z.B. vom Schritt in den Galopp wechseln wollen, öffnet sich unsere Beckenbewegung nach vorne um den Galloppsprung nachzuahmen und ihn somit gleichzeitig vorzugeben.

Übergänge in die niedrigere Gangart

Während wir die Hilfen zum Übergang geben, versuchen wir uns bereits so zu bewegen, als ob unser Pferd bereits in der neuen Gangart ist. Unser Becken macht dann automatisch die richtige Bewegung der neuen Gangart mit. Wenn wir also vom Trab in den Schritt wechseln wollen, sollte das Becken bereits die Bewegung und den Takt des Schritts nachahmen. Wenn wir uns also immer die neue Gangart und das neue Tempo vorstellen das wir reiten möchten, geben wir es mit unseren eigenen Beckenbewegungen und unserer eigenen Körperhaltung vor.

Dabei wachsen wir im Körper nach oben und umschließen unser Pferd mit dem langen Bein um die Hinterhand unseres Pferdes unter den Schwerpunkt zu halten und wieder in die Balance zu bringen. Während wir Durchparieren, denken wir an vorwärts. Die Hände schließen sich währenddessen so deutlich, dass wir ein ruhiges aber präzises “Nein” ausdrücken können, falls unser Pferd vom Schenkel weg nach vorne möchte. In dem Moment wo es reagiert, werden wir sofort leichter mit den Händen,  stellen den normalen Komtakt wieder her und lassen die neue bewegung heraus. Während des Durchparierens atmen wir aus.

Tempowechsel innerhalb der Gangart

Zulegen

Vor dem Zulegen geben wir so viele halbe Paraden wie nötig um das Pferd neu auszubalancieren. Durch das Heranschließen der Hinterhand bringen wir eine leichte positive Spannung ins Pferd, die wir dann im Vorwärts herauslassen können. Wir werden im Körper größer und lassen gleichzeitig unseren Schwerpunkt sinken. Die Bewegungen im Becken werden größer. Den vorderen Teil unseres Körpers öffnen wir, als ob wir an der Gürtelschnalle nach vorn aufwärts gezogen werden. Die am Gurt liegenden Schenkel treiben das Pferd nach vorn. Die Hände geben nach, aber nur soviel, dass der Rahmen unseres Pferdes sich erweitern kann und die Balance nicht gestört wird. D.h. der Kontakt mit den Händen bleibt die ganze Zeit leicht aber unterstützend bestehen, damit das Pferd nicht die Energie nach vorn verliert.

Wichtig ist, dass wir während des Zulegens ausbalanciert und locker sitzen bleiben um unser Pferd nicht zu stören. Dabei sollten wir stets in unser Pferd hineinhorchen um abzuschätzen, wieviel wir von unserem Pferd verlangen können, damit keine Taktstörungen entstehen. Ein korrekt herausgerittenes Tritte verlängern ist allemal besser als ein Mitteltrab mit Taktfehlern oder Schwungverlust. Kommt das Pferd auf die Vorhand, ist es besser die Trabverstärkung abzubrechen und erst die Balance wieder herstellen. Drei gut verlängerte Tritte sind viel mehr wert als zehn, die so dahingelaufen werden.
Wenn wir zum Sitzen und zum Treiben kommen, haben wir das Pferd korrekt an den Hilfen und sind in der Lage, die Rückführung vorzubereiten.

Rückführung

Beim Aufnehmen ist es wichtig, dass wir den Bewegungsablauf unseres Pferdes nicht blockieren und es dadurch auf die Vorhand kommt. Durch viele aufeinanderfolgende Paraden bereiten wir es vor und fordern es gleichzeitig mit unserem Gesäß, unserem Körper und den Beinen auf, die Tritte oder Sprünge bei schwingendem Rücken aktiv zu halten und gleichzeitig zu verkürzen. Die Beckenbewegungen werden kleiner. Dabei werden wir leicht mit der Hand, damit das Pferd seine Energie nicht verliert, sondern weiter nach vorn in einen schwungvollen, verkürzten Bewegungsablauf hineintritt.
Beim Zurückführen des Tempos müssen wir also ebenso viel treiben wie beim Zulegen, weil die Hinterbeine dabei aktiv bleiben sollen! Nur das wir mit unserem Becken, unserer Körpermitte den Bewegungsablauf kürzer machen, nicht einfach langsamer.

im Training

In der ersten Schrittphase bieten sich Übergänge zum Halten an. Dadurch wird das Pferd veranlasst, nachgiebig im Genick zu werden. So können wir es auf anspruchsvollere Übergänge vorbereiten.
Eine weitere zum Muskellockern ist: das Pferd in kurzen Phasen vom Schritt in einen untertourigen Trab wechseln lassen. Dabei kein aktives Hinterbein fordern, die Lektion soll nur den Körper lösen.
Übergänge zwischen Arbeitstrab und Arbeitsgalopp gehören unbedingt in die Lösungsphase. Das Pferd muss hierbei den Bewegungsablauf neu organisieren  und die Rückentätigkeit  verändern. Vorallem Pferde, die zu Beginn wenig Gehfreude zeigen, werden durch den häufigen Wechsel zwischen Trab und Galopp frischer und motivierter.

In der lösenden Arbeit reiten wir die Trab-Galopp Übergänge zunächst auf der gebogenen Linie. Hier ist es leichter den Handgalopp zu finden, weil das Pferd bereits in Längsbiegung geht und der Reiter dementsprechend in die Wendung sitzt. Wunderbar kann man hier auch Trabcavalettis mit einbauen: kurz vor den Cavalettis zum Trab durchparieren, über die Cavalettis traben und direkt danach wieder angaloppieren. Diese Übung löst jedes Pferd.
Gerade bei Pferden die zu Spannung neigen, kann ein häufiger Wechsel zwischen Arbeitstrab und Arbeitsgalopp hilfreich sein.

Pferde die dazu neigen eher etwas faul und unkonzentriert zu sein, bringen wir am Ende der Lösungsphase oder im Übergang zur Arbeitsphase mit vielen kleinen Trab-Schritt-Trab Übergängen auf Touren … energisch antraben, nach wenigen Trabtritten durchparieren zum Schritt und gleich wieder energisch antraben. Das fördert die Aufmerksamkeit und bringt das Hinterbein in Schwung.
Haben wir dagegen ein Pferd das im Schritt zum Eilen neigt, lassen wir es gern mal anhalten. Das Pferd dann stehen lassen und bewusst auf ein Ausatmen warten, das bringt Ruhe und Konzentration. Bei diesen Pferden ziehen wir die  Übergänge deutlich länger. Kurze schnelle Übergänge machen so ein Pferd nur noch hektischer.

Pferde die sich beim Übergang vom Trab zum Schritt herausheben, können wir z.B. im Schenkelweichen durchparieren. Dabei haben wir unser Pferd besser am Sitz. Wenn unser Pferd im Trab schon Schulterherein kann, können wir solche Pferde auch im Schulterherein durchparieren.
Dann muss wenigstens ein Hinterbein im Moment des Übergangs untertreten. Eine weitere Möglichkeit ist, am Ende einer Volte durchzuparieren. So hat man das Pferd besser am äußeren Zügel als auf der Geraden. Die innere Hand muss nur im richtigen Moment nachgeben … in dem Moment, wo wir spüren das unser Pferd die halbe Parade zum Durchparieren annimmt.

Kreativ sein

Übergänge innerhalb der Gangart sind Fleißarbeit und sollten schon frühzeitig mit in das Training eingebunden werden. Sie verbessern nicht nur die Selbsthaltung unseres Pferdes, sondern auch die Feinabstimmung unserer Reiterhilfen.
Auch hier sollten wir das Üben abwechslungsreich gestalten: anstatt immer nur an der langen Seite zuzulegen, können wir das ruhig auch mal auf der Zirkellinie oder durch die kurze Seite hindurch tun; auch einmal Mitte der langen Seite oder der Diagonalen wieder aufnehmen; genauso wie einfach mal auf dem zweiten Hufschlag die Verstärkung reiten.

Seitengänge können wir bei Tempowechseln ebenfall mit einbauen: z.B. nach der kurzen Seite ein paar Tritte Schulterherein, Trabverstärkung durch die Diagonale und Rückführung ins Schenkelweichen. Mit den Seitengängen vor der Verstärkung richten wir unser Pferd gerade um eine gute Schwungentfaltung zu gewährleisten; nach der Verstärkung lässt sich das Pferd mit Seitengängen leichter Zurückführen, da es mit dem Hinterbein mehr unter den Schwerpunkt tritt. Ähnliches lässt sich auch mit Volten vor und nach den Übergängen erreichen.

Dem Einfallsreichtum sind hier keine Grenzen gesetzt, was das Kombinieren der einzelnen Übergänge mit anderen Übungen zu tun hat … Übergänge und Tempowechsel mit verschiedenen Hufschlagfiguren, Seitengängen, Pylonen, Stangen- und Cavalettis ect.

Ebenfalls intessant und zum Thema Pferdeausbildung ist dieser Blogartikel: Anforderungen auf gebogenen Linien. Hier gehen wir der Frage nach, was aus biomechanischer Sicht im Pferdekörper passiert wenn das Pferd auf gebogenen Linien gearbeitet wird?

Seid ihr auch kreativ? Gern könnt ihr uns hier eure Lieblingsübungen präsentieren.
Wir sind gespannt 😉

 

 

 

 

 

 

 

 

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