Losgelassenheit ist nicht gleich Entspannung

Losgelassenheit ist nach dem Takt der zweite Punkt in der Ausbildungsskala und zählt mit zu den wichtigsten Grundbausteinen in der Ausbildung des Reitpferdes. Takt und Losgelassenheit stehen dabei in enger Verbindung zueinander. Ohne das eine, ist das andere nicht möglich.

Was ist Losgelassenheit?

Wenn wir der Losgelassenheit, vorallem am Anfang der Ausbildung, nicht genügend Aufmerksamkeit schenken, wird sich das wie ein Faden durch gesamte weitere Ausbildungsarbeit ziehen und wir werden auf Dauer große Probleme bekommen.

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Was bedeutet Losgelassenheit?

Losgelassenheit wird im Sprachgebrauch gern so beschrieben: Als losgelassen bezeichnet man ein Pferd was innerlich (phsychisch) und äußerlich (physisch) entspannt ist. Diese Definition kann allerdings zu Verwirrung sorgen. Ist ein Pferd oder auch ein Sportler wirklich entspannt, kann er keine sportlich relevante Leistung erbringen.

Wir können das mit einem 100-Meter-Sprinter vergleichen. Dieser muss im Finale auf den letzten 30 m locker bleiben um zu gewinnen. Wenn er sich verkrampft, verliert er. Wenn seine Körperspannung zu niedrig ist, verliert er auch. Wirklich entspannt ist er vielleicht nach dem Rennen, mit einem Getränk in der Hand. Genau das bedeutet im reitsportfachlichen Sprachgebrauch “innere” und “äußere” Losgelassenheit -> die Entwicklung von positiver Körperspannung und Konzentration.

Dieses Prinzip können wir auch auf den Reiter übertragen: Wir sollen zwar locker sitzen, ohne eine gewisse Muskelspannung könnten wir uns allerdings gar nicht aufrecht auf dem Pferd halten.
Die Entwicklung dieser “Lockerheit” ist nicht einfach, sondern der Kern jeder guten sportlichen Bewegung. Nur wenn wir unsere Leistung und die unseres Pferdes im Zustand der Losgelassenheit abrufen können, wird die Leistung als optimal bewertet.

Ein Pferd braucht positive Spannung, um sein von der Natur vorgegebenes Bewegungskonzept in das eines Reitpferdes umwandeln zu können. In der Ausbildung eines Pferdes darf man dieses Konzept nie aus den Augen verlieren. Ein tendenziell negativ gespanntes Pferd braucht zunächst für Körper und Geist entspannende Übungen und Lektionen. Ein Pferd mit wenig Grundspannung braucht im Gegensatz dazu immer wieder Impulse, die Spannung und Motivation aufbauen. Das zufriedene, sich selbst tragende und in Losgelassenheit schwingende Pferd ist aber am Ende immer das Ergebniss der Entwicklung von positiver Spannung.

Bei einem losgelassen gehenden Pferd spannen sich die Muskeln zwanglos und unverkrampft an und ab. Es geht mit schwingendem Rücken und natürlichen, taktmäßigen, raumgreifenden  Bewegungen, ohne zu eilen vorwärts. Dabei dehnt es sich, in einer zwanglosen Halshaltung mit aktiv unter den Schwerpunkt tretenden Hinterhand, vertrauensvoll an die Reiterhand heran und wölbt den Rücken auf.
Jede Störung der Balance im Sinne von eilig oder verhalten bedeutet automatisch einen Fehler im komplexen System der aktiven Stabilisation.

Um sich selbst zu tragen und mit schwingendem Rücken zu gehen, muss das Pferd sein eigenes Gewicht über Hebelsysteme aktiv gegen die Schwerkraft abfedern, in neue Bewegungsenergie umsetzen und das Ganze muss für den Reiter steuerbar werden. Die Ausbildung des Reitpferdes bedeutet also die Entwicklung eines aktiven muskulären Sytems, welches die Bewegung des Pferdes schöner und erhabener macht und dadurch Sehnen und Gelenke sogar entlastet.

Weitere Merkmale der äußeren Losgelassenheit sind ein locker getragender und pendelnder Schweif, ein zufriedener Gesichtsausdruck, ein entspanntes Ohrenspiel und ein geschlossenes, tätig kauendes und leicht schäumendes Maul.

Neben der äußeren spielt auch die innere Losgelassenheit eine zentrale Rolle in der Ausbildung. Das heißt, das Pferd befindet sich in einem gelassenen Gemütszustand, lässt sich auf seinen Reiter ein, ist kooperativ und arbeitet gerne mit. Innere und äußere Losgelassenheit sind eng miteinander verknüpft und hängen voneinander ab. Nur ein Pferd welches absolutes Vertrauen zu seinem Reiter hat und ihn voll akzeptiert, wird motiviert und konzentriert mitarbeiten und selbst in ungewohnter Umbebung und unter schwierigen Bedingungen im Verhältnis schnell zur Losgelassenheit finden.

Dabei spielt auch eine Rolle, wie die letzte Trainingseinheit verlaufen ist. Wenn diese harmonisch war und mit einem Erfolgserlebnis für das Pferd endete, wird es genauso “entspannt” und motiviert in die nächste Einheit starten.

Mangelndes Vertrauen zum Reiter führt zu verkrampfter Atmung und zu einer gesamten Anspannung der Muskulatur. So ist vernünftiges Training sowie äußere Losgelassenheit nicht möglich.
Andersherum, wenn das Pferd körperliche Probleme wie Muskelkater, Verspannungen oder Schmerzen hat, wird es nicht gerade motiviert bei der Arbeit sein. Es ist durch seine Beschwerden abgelenkt und kann somit nicht zu innerer Losgelassenheit finden.

Warum ist Losgelassenheit so wichtig?

Ein Pferd welches verkrampft, braucht viel mehr Energie und ermüdet deshalb auch schneller. Ein losgelassenes Pferd ist demnach leistungsfähiger als ein verkrampftes. Muskeln, die ständig verkrampft sind, werden nicht richtig durchblutet und können deshalb durch die Arbeit auch nicht kräftiger werden. Im Extremfall kann es sogar zu einem Abbau (Atrophie) der betroffenen Muskeln kommen.
Die Grundlage von Verkrampfung im Sport ist in der Regel eine nicht ausreichend trainierte und/oder überforderte Muskulatur.

Ein Pferd, dass sich längerfristig unter dem Reiter nicht zur Losgelassenheit findet, kann früher oder später ein Fall für den Tierarzt oder Physiotherapeuten werden. Der Grund: Anhaltende Verspannungen führen irgendwann zu Rückenproblemen oder Lahmheiten. Desweiteren überlasten verspannte Tritte vor allem im Trab auf Dauer die Gelenke und den gesamten Bewegungsapparat, so dass es zu verfrühten Verschleißerscheinungen kommen kann. Davon abgesehen ist es auch viel angenehmer ein losgelassenes Pferd zu reiten. Es lässt sich leichter sitzen, arbeitet besser mit und fühlt sich auch selbst wohler.

Das war der erste Teil … nächste Woche kommt Losgelassenheit Teil 2. Hier zeigen wir euch, wie ihr mit eurem Pferd zur Losgelassenheit kommt und wie eine gute Lösungsphase aussehen kann.

Habt ihr selbst auch schon den Unterschied zwischen einem wirklich losgelassenen und einem verspannten Pferd gefühlt? Was genau habt ihr dabei gespürt? Erzählt uns doch von euren Erfahrungswerten. Wir sind gespannt.

Eure Silvana

 

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