Die Serie: Reiten in Harmonie 5 – der zentrierte Reitersitz

Geist und Körper sind eng miteinander verbunden. Die Weiterentwicklung des einen hat die Weiterentwicklung des anderen zur Folge. Wir sind eine Einheit, sei es auf spiritueller, physischer oder emotionaler Ebene. Wir haben in den vorangegangenen Teilen unserer Serie gelernt, in welchem Maße die mentale Vorbereitung eines der Schlüsselelemente für den Fortschritt und den Erfolg darstellt. In diesem und letzten Teil widmen wir uns dem Zentrieren in die Körpermitte und dem damit zusammenhängenden ausbalancierten Sitz.

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Im vierten Teil der Serie “Reiten in Harmonie“, ging es um die richtige Atmung des Reiters, die zusammen mit dem Blick (Teil drei) eine zentrale Rolle in der Reiterei spielen.

Diese Serie ist für alle Reiter, die über den Tellerrand hinaus schauen und Harmonie mit dem Pferd erreichen möchten. Für alle die es wollen, wird es eine Ergänzung zur klassischen Reitlehre sein. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem mentalen und körperlichen Gleichgewicht/ Übereinstimmung von Reiter und Pferd sowie geistigen und physischen Vorstellungen.

Reiten ist ein Sport wie alle anderen. Er setzt voraus, dass jeder in Form ist, sowohl das Pferd als auch der Reiter. Der Respekt für seinen eigenen Körper ist somit von grundlegender Bedeutung. Unser Körper ist das einzige, von dem wir sicher sind, es bis ans Ende unseres Lebens zu behalten. Darum sollten wir uns so lange wie möglich darum kümmern. Ein geschmeidiger, einsatzbereiter Reiter mit einem klaren Geist und einem gesunden Körper wird viel leichter ein hohes Leistungsniveau erreichen.

Das Zentrieren in die Körpermitte

Um unseren Körper und den des Pferdes wirklich zu kontrollieren, müssen wir unsere Mitte finden. Die meisten von uns sind versucht, kopf- oder vorderlastig zu sein. Wir kümmern uns auch zu sehr um Einzelheiten, überorganisieren vieles und atmen meist in unserer Brust. All diese Charakteristika vergrößern unsere Verspannungen, verringern unsere Beweglichkeit, verlagern unser Zentrum der Schwerkraft nach oben, machen uns kopflastig und verschlechtern unsere Koordination.

Indem wir zentrieren – unser Kontrollzentrum teilweise ausschalten – können wir diese Tendenzen überwinden. Um unsere Mitte zu finden, legen wir unsere Hand direkt unter den Bauchnabel auf den Bauch. Tief innen, hinter diesem Punkt, vorn an der Wirbelsäule, liegt unser Zentrum der Balance, Zentrum der Energie, Zentrum der Kontrolle. Hier sind einige der tiefsten und stärksten Muskeln in unserem Körper; tief drinnen und nah an der Wirbelsäule befindet sich gleichzeitig auch das größte Bündel von muskelkontrollierenden Nerven.

Wie erreichen wir die Beherrschung aus der Körpermitte?

Wir setzen die sanften, umfassend blickenden Augen ein, um unseren Körper wahrzunehmen und kontrollieren die Atmung (wie in Teil drei und vier der Serie “Reiten in Harmonie” beschrieben). Dabei lassen wir den Atem in den Körper hinunter strömen und atmen bewusst in die Körpermitte. Somit lenken wir unser Bewusstsein in die Körpermitte und stellen uns vor, wir seien eines dieser Puppen – Stehaufmännchen, die im unteren Teil sehr schwer sind. Diese kann man oben anstoßen so fest man will, sie werden sich immer wieder aufrichten. So sollte sich unser Körper anfühlen – stabil und tief an der Basis, damit der obere Teil immer ausbalanciert und aufrecht bleibt.

Einen ausbalancierten, zentrierten Sitz zu haben, heißt dazu bereit sein, in alle Richtungen zu gehen, vorwärts zu reiten, anzuhalten … und dies jederzeit. Wenn ich links abwende, muss ich dazu bereit sein, rechts abzuwenden. Wenn ich anhalte, muss ich dazu bereit sein, wieder anzureiten. Man muss ständig mittig in der zentrierten Haltung bleiben.

Um sich dessen noch bewusster zu werden, stellen wir uns einen großen Ball auf dem Wasser vor auf dem wir sitzen. Bleiben wir senkrecht und mittig auf dem Ball sitzen, bleibt er in seiner Position. Wenn wir uns aber z.B. zur rechten Seite lehnen, wird der Ball genau zur entgegengesetzten Seite nach links entkommen. Genau das geschieht mit dem Pferd, wenn wir in der Wendung nicht in unserer mittigen Haltung bleiben.

Die Ergebnisse des Zentrierens in die Körpermitte

  • Balance, Kontrolle und Energie sind gefestigt
  • das Zentrum der Schwerkraft liegt tiefer
  • der Oberkörper scheint leichter, stabiler und beweglicher
  • das Gesäß und der untere Körper scheinen schwerer und sicherer
  • Spannungen, die den Energiefluss durch den Körper blockieren, lösen sich.

Sitzbausteine

Um gut zu Reiten und allen Situationen gewachsen zu sein, muss man nicht nur in Form sein, sondern auch jeden Teil seines Körpers an der richtigen Stelle ausrichten, wie Bausteine. Wenn die verschiedenen Körperteile richtig aufeinander abgestimmt sind, einen über dem anderen, können wir den Aufwand reduzieren, mit dem wir die Muskeln anspannen oder belasten um den Körper aufrecht zu halten. So sparen wir Energie für den weiteren Gebrauch. Die “Bausteine” hängen sehr stark mit dem richtigen Blick, dem Atmen und dem Zentrieren in die Körpermitte zusammen.

Der Reiter darf jedoch niemals seine Muskeln zwingen, den richtigen Sitz einzunehmen. Jeder Reiter hat seine eigene Reitweise.  Er muss den seinem Körper und seinen Zielen angemessenen Sitz finden. Dies ist eine unerlässliche Bedingung, um sich zu entspannen. Ideal ist es, einen Sitz zu haben, in dem man die Fehler nicht mehr durch Einwirkungen ausgleichen muss.

Wie finden wir zum zentrierten, ausbalancierten Sitz?

Wir teilen unseren Körper zuerst in Bausteine auf:

  1.  Die Grundbausteine sind Beine und Füße,
  2. das Becken,
  3. der Brustkorb.
  4. die Schultern,
  5. Kopf und Hals.

Diese Bausteine müssen sorgfältig im Gleichgewicht aufeinander aufgebaut werden. Sind die Bausteine nicht sorgfältig ausbalanciert, werden sie instabil oder fallen in sich zusammen, genau wie ein Turm aus Holzbausteinen der Kinder. Sind die Bausteine korrekt aufeinander aufgebaut, können wir im Dressursitz von der Seite gesehen eine Falllinie ziehen von den Ohren über die Schultern und die Hüften bis hin zum Fußgelenk.  Knapp vor dem Hüftgelenk kreuzt sie unsere Körpermitte.

Wenn wir auf dem Boden stehen, muss unser Zentrum über den Füßen sein, sonst fallen wir um. Das gleiche gilt für die Haltung beim Reiten. Die Körpermitte muss stets über den Füßen ausgerichtet sein oder umgekehrt, die Füße unter der Körpermitte. Beim Springen oder im Rennsitz brauchen wir allerdings nicht alle Bausteine, nur die ersten zwei (die wichtigsten) – die Füße und das Zentrum (Körpermitte). Das Gewicht der Hüften bleibt hinter der Falllinie, als Gegengewicht zum Kopf und den Schultern, die nach vorn lehnen. Wichtig ist, dass Füße und die Körpermitte übereinander bleiben, um die Balance zu halten.

Mit Hilfe des Blicks der horizontal ausgerichtet sein muss, halten wir einen langen und geraden Rücken. Wir stellen uns vor, als würde uns jemand an den Haaren nach oben ziehen, als ob wir mit dem Kopf zum Himmel wachsen wollten. Die gleichmäßige und richtige Atmung unterstützt uns dabei unsere Muskeln los zu lassen und uns zu zentrieren. So sitzen wir stabil, unterhalb der Körpermitte werden wir schwer und ziehen Richtung Boden. Oberhalb der Körpermitte werden wir leicht und wachsen nach oben.

Um die Bausteine richtig aufbauen zu können, gibt es zwei Variablen, die aufeinander abgestimmt werden müssen – die Bügellänge und der Sattel.

Die Bügellänge variiert natürlich nach dem Satteltyp. Viele meinen das man in einem Dressursattel mit sehr langen Bügeln reiten muss. Entscheidend sind aber die Balance und der effiziente Gebrauch der Beine. Wenn die Beine in der richtigen Position sind, sollten die Füße leicht im Absatz nach unten federnd im Steigbügel ruhen. Der Bügel sollte unter dem Fußballen (an der breitesten Stelle) aufgenommen werden. Hier befindet sich ein Balancepunkt, der dem Reiter ermöglicht locker im Fußgelenk zu bleiben, was sich positiv auf den Rest des Reiters auswirkt.

Wenn wir nach den Steigbügeln hangeln müssen, sind diese zu lang! Die Füße rutschen dann nach vorn und wir verlieren den Grundbaustein,  was zur Folge hat, dass wir das Becken nach hinten schieben und somit nicht mehr im Gleichgewicht sind. Die Schenkelhilfen werden ineffizient und wir sind nicht mehr in der Lage mit unserem Sitz mit den Bewegungen des Pferdes mitzugehen. Außerdem hat ein zu langer Bügel die Folge, dass das Knie an den Sattel geklemmt wird und somit nicht mehr als Bewegungsdämpfer fungieren kann.

Wir müssen in der Lage sein, wie ein Skifahrer auf der Buckelpiste, die Bewegungen durch das Spiel von Hüft-, Knie- und Fußgelenk ausgleichen zu können. Wir müssen im Sattel so weit wie möglich vorne sitzen, Die Fußgelenke unter den Hüften. Die Riemen der Steigbügel müssen immer gerade herunterhängen,hinter dem Knie und vor dem Fußgelenk. Bei kräftigen Oberschenkeln, müssen die Bügel kürzer sein!

Für die korrekten Bausteine braucht man außerdem einen richtig ausbalancierten Sattel. Der tiefste Punkt des Sattels muss in der Mitte sein und dicht am Vorderzwiesel. Ist er zu weit hinten, gibt es keine Möglichkeit in guter Baustein – Qualität zu reiten. Dazu kommt, dass wir dem Pferd mit unserem Gewicht in den Rücken drücken und es im Bewegungsablauf blockieren.

Die Ergebnisse der Bausteine sind:

  • Ein mit dem Bewegungsablauf des Pferdes übereinstimmendes beständiges Gleichgewicht.
  • Fließende und angenehme Bewegungen des Pferdes.

Wenn wir nun unser Pferd antraben und leichttraben, verlagern wir das ganze Gewicht zu den Steigbügeln hinunter.  Die Beine ruhen sanft an den Seiten des Pferdes, die Hüft- und Kniegelenke spielen frei, damit sie die ganze Auf- und Abbewegung des Leichttrabens spüren können. Wir setzen die sanften Augen ein, das Atmen und Zentrieren in die Körpermitte und kontrollieren, ob die Bausteine richtig ausbalanciert sind.

Folgende Übung kann man machen um an der Balance zu arbeiten: Einen Trabtritt sitzen und zwei Trabtritte lang aufstehen ( also immer wieder umsitzen). Wenn wir die richtige Haltung gefunden haben, wird die Übung sehr leicht.

Lass den Körper ins Gleichgewicht kommen. Lass das Zentrum der Schwerkraft nach unten sinken, denk an den Atem und an das Zentrum der Energie. Versuch bei jedem Aufstehen eine Sprungfeder zu fühlen, die deine Körpermitte an deiner Gürtelschnalle diagonal nach vorne oben in den Himmel zieht. So kommen deine Füße fast automatisch unter dich. Reite auch ruhig mal mit geschlossenen Augen, so kannst du deinen Körper noch besser fühlen und zusammen mit deinem Pferd immer mehr ins gemeinsame Gleichgewicht kommen.

Nun sind wir am Ende der Serie “Reiten in Harmonie”.  Ich hoffe, ich konnte dir Anregungen und Tipps für ein harmonisches Miteinander mit deinem Pferd geben. Erzähl uns doch von deinen Erfahrungen, wir würden uns sehr freuen.

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